Rosenstraße
INHALT
Die New Yorkerin Ruth Weinstein (JUTTA LAMPE) hat
soeben ihren Ehemann beerdigt. In ihrem Schmerz besinnt sie sich auf
ihre jüdisch-orthodoxe Religion und ordnet für die ganze Familie 30
Tage Trauer an. Überdies lehnt sie die Heirat ihrer Tochter Hannah
(MARIA SCHRADER) mit dem Südamerikaner Luis (FEDJA VAN HUÊT) ab. Das
stößt bei Hannah auf völliges Unverständnis. Um den Grund für das
Verhalten ihrer Mutter, die nie über ihre Vergangenheit ein Wort verloren
hat, herauszubekommen, begibt sich Hannah auf Spurensuche nach Berlin.
Dort setzt sie sich mit der 90- jährigen Lena Fischer (DORIS SCHADE)
in Verbindung, die endlich die Mauer des Schweigens bricht... Als
junge Frau hatte Lena Fischer (KATJA RIEMANN) die kleine Ruth in der
Berliner Rosenstraße angetroffen. Dort versammelten sich im Jahre
1943 Hunderte von Frauen, um gegen den Abtransport ihrer jüdischen
Männer, die dort in dem zum Gefängnis umfunktionierten jüdischen Versorgungsamt
festgehalten wurden, zu demonstrieren. Lena sucht hier nach ihrem
Mann Fabian (MARTIN FEIFEL) und Ruth nach ihrer Mutter.
Nach einem verzweifelten Kampf mit den nationalsozialistischen Behörden,
bei dem auch Lenas Bruder Arthur (JÜRGEN VOGEL), ein verwundeter Wehrmachtsoffizier,
aktiv wird, geschieht tatsächlich das Unglaubliche. Die Tore des Gefängnisses
öffnen sich, und wie viele andere Frauen auch kann Lena ihren geliebten
Mann tatsächlich wieder in die Arme schließen. Ruths Mutter aber bleibt
verschwunden und so nimmt Lena die Kleine auf und rettet ihr damit
in den Wirren der letzten Kriegsjahre das Leben...
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PRODUKTIONSNOTIZEN
"Es kompliziert, ein geeignetes Motiv zu finden. Wir haben in einem
Ort, der früher viel Textilindustrie beherbergte, dann doch Motive
gefunden. Und es stand natürlich die Straße in Babelsberg, in der
"Sonnenallee" und "Der Pianist" gedreht wurde. Und das war von Trottas
liebstes Motiv. Darüber hinaus mussten wir einmal die heile Rosenstraße
haben und dann eben auch die zerstörte, weil im März 1943 die ersten
Bomben auf Berlin fielen. Margarete von Trotta wollte das schon ziemlich
realistisch festhalten. Am Budget war also nicht zu rütteln."
Man ließ sich auch bei der Bildgestaltung für "Rosenstraße" etwas
Besonderes einfallen. Die vierziger Jahre sollten in einem anderen
Farbton als die heutige Zeit gezeigt werden. Da hatte Franz Rath,
langjähriger Kameramann von Margarethe von Trotta, die Idee, die Szenen
ausgebleicht zu kopieren.
Die Rosenstraße wurde auf dem Freigelände der Babelsberger Studios
zwar nicht originalgetreu, jedoch im entsprechenden Stil der vierziger
Jahre nachgebaut. Dort wurden die Filmemacher mit einer weiteren Herausforderung
konfrontiert, nämlich der Lichtgestaltung, schließlich konnte man
nicht ständig den Vollmond scheinen lassen. Also griff man auf mit
Helium gefüllte Ballons zurück, die der Straße in der Nacht "ein ganz
dezentes, weiches Licht" verleihen.
Margarethe von Trotta zu "Rosenstraße"
Das Projekt "Rosenstraße" hat Sie seit nunmehr fast zehn Jahren
begleitet... Wie und wann genau fing eigentlich alles an, über welchen
Weg kam der Stoff zu Ihnen?
Als ich Ende 1993, Anfang 1994 im Studio Babelsberg am Schnitt vom
"Versprechen" arbeitete, kam Volker Schlöndorff, damals noch Chef
des Studios, mit der Geschichte an, und brachte mich auch gleich mit
Daniela Schmidt zusammen, die einen Dokumentarfilm gemacht hatte,
"Widerstand in der Rosenstraße, Berlin 1943", den ich bis dahin nicht
kannte. Daniela war sehr zugänglich und schien mir, weil sie sich
mittlerweile mit einigen der Zeitzeugen, die sie für ihren Film befragt
hatte, angefreundet hatte, der Idee zugetan, dass auch ein Spielfilm
über dieselben Ereignisse gedreht würde.
Zu Recht meinte sie, dass diese Ereignisse viel zu wenig bekannt waren,
es aber verdienen würden, wahrgenommen zu werden. Sie zeigte mir bereitwillig
alle Materialien, alle Interviews, die sie mit den Zeitzeugen der
Rosenstraße geführt hatte und die sie schriftlich festgehalten hat,
denn in einem Film kann man ja leider nicht immer alles verwenden.
Ich selbst habe dann, durch ihre Vermittlung, etwa zehn Menschen getroffen
und befragt. Erst nach diesen eindrucksvollen persönlichen Begegnungen
war ich wirklich motiviert.
Die Rosenstraße liegt in Berlin-Mitte
. es ist eine kleine Straße in der Nähe des Alexanderplatzes. In der
Heidereuthergasse, die von ihr abzweigte, befand sich damals noch
eine der ältesten Synagogen Berlins. Und in der Rosenstraße selbst
gab es ein jüdisches Wohlfahrtsamt, das zu der Zeit, in der der Film
spielt, in ein Sammellager umfunktioniert worden war.
Das Ungewöhnliche an der "Rosenstraße" ist
eben der Erfolg dieser Frauen. Dass sie sich überhaupt zusammengefunden
haben und dort protestierten, ist ja eigentlich ganz unvorstellbar
angesichts der Geschichte des Nationalsozialismus.
Dass es Frauen waren, die protestiert haben,
fällt nun wiederum zusammen mit einem persönlichen Aspekt: Meine Filme
handeln nun einmal meistens von Frauen, das ist mein Gefängnis! Einerseits
waren es ja in der Mehrzahl die Frauen, die damals für Hitler gestimmt
haben. Ohne sie hätte er es vielleicht gar nicht geschafft.
Sie waren
ihm ergeben wie einem Bräutigam, wie es vielleicht nur noch
im Mittelalter die religiösen Frauen waren, die in Jesus ihren
Bräutigam anbeteten. Der Erfolg Hitlers basierte zu einem großen
Teil auf dieser Liebe, der Hingabe, dem Enthusiasmus der deutschen
Frauen. Und dass es auf der anderen Seite eben auch Frauen waren,
unbeugsame Frauen, in der Rosenstraße, die gegen ihn und für
und um ihre jüdischen Männer kämpften.
Dieser Widerspruch: Die urdeutsche Tugend der Treue - nur über Jahre
am falschen Subjekt ausgeübt. Treue wurde verlangt - und treu waren
diese Frauen über die Maßen... auch deswegen konnten die Soldaten
in der Rosenstraße nicht einfach in sie hineinschießen, alles, was
sie tun konnten, waren Einschüchterungsversuche. Es waren schließlich
"arische" Frauen, die genau das getan und erfüllt haben, was immer
von ihnen verlangt wurde: in Treue zu ihren Männern zu stehen.
Das ist vielleicht
der Kernpunkt. Und: dass es keine politische Demonstration im
üblichen Sinn war. Diese Frauen sind nicht aufgefordert worden,
als politische Gruppe zu handeln, nein, jede Frau war auf der
Suche nach ihrem Mann und ist schließlich in der Rosenstraße
angelangt...
Und nicht mehr von dort weggegangen. Der einzelne Liebesbeweis
einer jeden Frau.
Und auch: sie sahen sich selbst nicht als Heldinnen, sie hatten Angst,
und sie waren verzweifelt, ihr Mut war das Resultat ihrer Verzweiflung,
so dass man etwas tut, in einer Extremsituation, das man sich unter
anderen Umständen nicht zugetraut hätte. Bis heute hat mir niemand
erklären können, wie sie alle in die Rosenstraße kamen, von offizieller
Seite haben sie ja keine Auskunft bekommen. Es hieß nur immer, es
sei der so genannte "Mundfunk" gewesen. Mir schien es, als seien sie
alle telepathisch mit ihren Männern verbunden gewesen und von ihnen
angezogen worden, wie von einem Kraftfeld.
Zeittafel
In der Berliner Rosenstraße erreichten
Hunderte von Frauen, jüdische wie nicht-jüdische, im Frühling
1943 durch friedliche Proteste das Unfassbare: In den dortigen Lagerhallen
inhaftierte Juden aus Mischehen, so genannte arisch
versippte, wurden von der Gestapo wieder freigelassen, teilweise
holte man bereits nach Auschwitz deportierte Gefangene wieder zurück
und entließ sie in die Freiheit.
Hier ein genauer Überblick der Geschehnisse,
die sich vor kurzem zum 60. Mal jährten:
26. Februar 1943, Freitag:
Der Leiter der Jüdischen Gemeinde wird zum Judenreferat
der Gestapo in die Burgstraße beordert: Die Gemeinde soll Schreibkräfte
und Erste-Hilfe-Gruppen bereitstellen.
27. Februar 1943, Samstag/Sabbath:
Die Fabrikaktion nimmt ihren Lauf. 5.000 Berliner jüdischer
Herkunft werden aus ihren Wohnungen und von ihren zentralisierten
Arbeitsplätzen durch die SS und die Gestapo verhaftet und an
folgenden Orten interniert: Wehrmachtskaserne in Berlin-Reinickendorf,
Kasernenreitstall Rathenowerstraße, ehemalige Synagoge Levetzowstraße,
ehemaliges Vergnügungslokal Clou in der Mauerstraße/Zimmerstraße,
Lager Große Hamburger Straße 26, ehemalige Behörde
für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der jüdischen
Gemeinde Rosenstraße 2-4. Die Inhaftierten werden nach Nazi-Kriterien
erfasst, Juden aus Mischehen und Mischlinge
von den restlichen Häftlingen getrennt. Die Mischlinge
unterteilt man in Privilegierte und Einfache.
Die Einfachen bewertet man wiederum als Geltungsjuden
und Mischlinge 1. Grades. Mischehepartner
und Mischlinge werden in die Rosenstraße 2-4 transportiert.
Per Telefon verbreitet sich die Nachricht über den Aufenthaltsort
der Inhaftierten. Erste Demonstranten finden sich in der Rosenstraße
ein.
28. Februar 1943, Sonntag:
Der Protest weitet sich aus. Es befinden sich 1.500 bis 2.000 Internierte
in der Rosenstraße.
1. März 1943, Montag:
Die Behörden leiten den Verkehr um die Rosenstraße herum
und schließen den S-Bahnhof Börse. In der Levetzowstraße
findet der Abtransport der Gefangenen zum Güterbahnhof Quitzowstraße
statt. Von dort fährt der erste Deportationszug der so genannten
Fabrikaktion mit 1.736 Juden nach Auschwitz ab. Berlin
erlebt in der darauffolgenden Nacht den ersten schweren britischen
Luftangriff.
2. März 1943, Dienstag:
Immer mehr Angehörige und Freunde der Gefangenen versammeln sich
in der Rosenstraße. Immer wieder zerstreuen SS und Polizei die
Demonstrierenden mit gezogenen Waffen, doch die Menschen strömen
sofort zurück. Goebbels notiert in seinem Tagebuch: Wir
schaffen die Juden endgültig aus Berlin heraus. Sie sind am vergangenen
Sonntag schlagartig zusammengefasst worden und werden nun in kürzester
Frist nach dem Osten abgeschoben.
3. bis 4. März 1943, Mittwoch und Donnerstag:
Die Berliner Gestapo verhaftet einige der demonstrierenden Frauen.
Später stellt sich deren Unversehrtheit heraus. Aus der Großen
Hamburger Straße deportiert die Gestapo 13 Berliner Juden aus
Mischehen, aus der
Rosenstraße holt man fünf Frauen. Keiner der Gefangenen
kehrt zurück.
Neu festgenommene Juden aus Mischehen sowie Geltungsjuden
bringt man im Lager der Großen Hamburger Straße unter.
Davor versammeln sich Hunderte Frauen, Mütter, Männer und
Kinder. Auch sie bedroht die Gestapo mit Maschinengewehren.
5. März 1943, Freitag:
Die SS richtet Maschinengewehre auf die größer werdende
Demonstrantenschar in der Rosenstraße. Das wird mit Mörder-Rufen
quittiert. Plötzlich werden die Maschinengewehre abgezogen.
6. März 1943, Samstag/Sabbath:
25 Inhaftierte aus der Rosenstraße deportiert man nach Auschwitz.
Nach der Ankunft bringt man sie gesondert unter. Zwölf Tage später
kehren sie nach Berlin zurück und werden von dort aus in das
Arbeitserziehungslager Großbeeren geschickt. Die
Behörden deportieren 690 Menschen jüdischer Herkunft vom
Bahnhof Putlitzbrücke nach Auschwitz, wohin man seit Beginn der
Fabrikaktion bereits 7.031 Juden verschleppte. Goebbels
befiehlt, alle inhaftierten Juden aus Mischehen, Geltungsjuden
und Mischlinge 1. Grades freizulassen. Er notiert im Tagebuch:
Gerade in diesem Augenblick hält der SD es für günstig,
in der Judenevakuierung fortzufahren. Es haben sich da leider etwas
unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim abgespielt,
wo die Bevölkerung sich in großer Menge ansammelte und
zum Teil sogar für die Juden etwas Partei ergriff. Ich gebe dem
SD den Auftrag, die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so
kritischen Zeit fortzusetzen. Wir wollen uns das lieber noch einige
Wochen aufsparen; dann können wir es umso gründlicher durchführen.
(Quelle: www.rosenstrasse-protest.de)
Lena Fischer ....................................................Katja
Riemann
Hannah ...........................................................Maria
Schrader
Fabian Fischer .....................................................Martin
Feifel
Arthur von Eschenbach ........................................Jürgen
Vogel
Ruth Weinstein ......................................................Jutta
Lampe
Lena Fischer (mit 90 Jahren) ................................Doris
Schade
Luis Marquez ...................................................Fedja
van Huêt
Rachel Rosenbauer ............................................Carola
Regnier
Ruth (mit 7 Jahren) ................................................Svea
Lohde
Jutta Wachowiak ...............................................Frau
Goldberg
Jan Decleir .....................................................Nathan
Goldberg
Klara Fischer .....................................................Thekla
Reuten
Erika ...................................................................Lilian
Fischer
Miriam Süssmann ...................................................Lena
Stolze
Mutter Fabian .......................................................Isolde
Barth
Vater Fabian ..................................................Fritz
Lichtenhahn
Mutter Erika .....................................................Carine
Crutzen
Litzy ...............................................................Nina
Kunzendorf
Goebbels ...........................................................Martin
Wuttke
Regie und Drehbuch .............................Margarethe
von Trotta
Co-Autorin ..........................................................Pamela
Katz
Kamera ..................................................................Franz
Rath
Standfotos ...............................................................Jan
Betke
Ton ......................................................................Corina
Dietz
Casting ............................................................Sabine
Schroth
Kostüm ..............................................................Ursula
Eggert
Szenenbild ....................................................Heike
Bauersfeld
Maske ...................................Gerhard Nemetz, Mia Schoepke
http://www.rosenstrasse-derfilm.de/
http://www.rosenstrasse-protest.de/
http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/22.11.2002/315825.asp
http://www.filmszene.de/kino/r/rosen.html
http://www.taz.de/pt/2003/04/15/a0194.nf/text.ges,1
http://www.schnitt.de/buecher/artikel/wydra_thilo_-_margarethe_von_trotta.shtml
http://www.ndrinfo.de/ndrinfo_pages_std/0,2758,OID112772_REF,00.html
http://www.goethe.de/uk/mon/entrotta.htm
http://www.hagalil.com/archiv/2003/09/rosenstrasse.htm
http://www.berlin-judentum.de/frauenprotest/rosenstrasse.htm
TAGESSSPIEGEL
vom 17.09.2003
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