Ich wollte mit dem körperlichen Erleben experimentieren. Ich wollte den Erwartungen gerecht werden, aber vielleicht in einer etwas anderen Weise. Ich musste an die Filme der Nouvelle Vague denken und an Robert Bressons Pickpocket (Pickpocket, 1959). Die Sequenzen, die die Taschendiebe bei der Arbeit zeigen, sind außerordentlich schön choreografierte Actionszenen. Ich meine nicht unbedingt Kämpfen und Prügeln und Treten, sondern dass die Geschichte durch die Aktionen des Körpers einer Figur erzählt wird. Ein etwas persönlicherer Grund, warum ich HANNA? drehen wollte, ist die weibliche Hauptfigur.
Eine sehr gute Freundin von mir war zu der Zeit vergewaltigt worden, als ich das Drehbuch las, und ich war unglaublich wütend. Ich musste darüber nachdenken, wie Frauen ihren Platz in der Gesellschaft zugeordnet bekommen, und was es bedeutet, im heutigen kulturellen Klima eine junge Frau zu sein. Ich blicke mich um und frage mich, was aus dem Feminismus geworden ist. Er sollte mehr sein als eine kurz aufblitzende Mode, er sollte die Welt für immer und ewig verändern. Ich bin angewidert von der Sexualisierung von Teenagern und der Kultur von Magazinen |
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wie „Hello!“ Das macht mir wirklich Angst. Ich spürte in mir den Impuls, als Reaktion auf das, was meiner Freundin widerfahren war, eine starke weibliche Figur zu erschaffen, die außerhalb der Geschlechterdebatte aufgewachsen ist, die noch nie eine andere Frau gesehen hat, nie Werbung gesehen hat und keine Ahnung haben sollte, was Lipgloss ist. Ich wollte Hanna die Familie auf Urlaub entgegensetzen, besonders Sophie und die Mutter Rachel.
Als Mädchen aus dem Hier und Jetzt steht Sophie in starkem Kontrast zu Hanna. Ich wollte mir diese zwei verschiedenen Typen von Teenagermädchen genauer ansehen. Sophie ist fast schon lächerlich hingerissen von der vorherrschenden Teenagerkultur. Und in Rachel erkannte ich viele Frauen, die ich kenne – aus meiner Generation oder vielleicht etwas älter – und die, in Hinsicht auf ihre feministischen soziopolitischen Ideale, vom Weg abgekommen sind. Ich mache mir Sorgen um sie – und um ihre Kinder auch. Das ist vielleicht ein bisschen heftig, aber das war es, was mir durch den Kopf ging. Joe Wright/Regie |