Berlin,
 
HALBE TREPPE
Zwei Paare, eine Affäre und 17 Hippies

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Interview mit Andreas Dresen
  Wie entstand die Idee zu diesen außergewöhnlichen Produktionsumständen?

Der Ausgangspunkt war schon bei Nachtgestalten gelegt. Bereits damals hatten wir den Traum vom ganz kleinen Team, das komplett in einen VW-Bus passen müsste. Auch wünschte ich mir die Möglichkeit, außerhalb der vorgegebenen Story agieren und dabei annähernd dokumentarisch arbeiten zu können, ein bisschen offener jedenfalls. Je größer das Team, desto schwerfälliger wird natürlich alles, aber irgendwie schienen die vielen Leute immer deshalb nötig zu sein, weil ja bestimmte Buchvorgaben auf professionelle Art und Weise umzusetzen waren. Irgendwann habe ich mal leicht verärgert gesagt: "Dann machen wir es eben ohne Drehbuch!" Das war natürlich nur so dahingesagt, aber mich ließ der Gedanke seitdem nicht mehr los, nur auf Basis einer Grundidee mit einem kleinen Team von Freunden einen Film zu entwickeln.
Alle Szenen wurden ausschließlich improvisiert. Wie oft hast Du wiederholen lassen?

Wir haben jede Improvisation mindestens einmal wiederholt, aus dem schlichten Grund, weil sie meist die Eigenschaft haben, unendlich lang zu werden. Ich benötigte Schnittmaterial. Die Viereraussprache in der Wohnung etwa haben wir beim ersten Take in Echtzeit ablaufen lassen. Er dauerte 45 Minuten. Wir haben dann diese Situation beim zweiten Mal mit einigen grundsätzlichen Korrekturen erneut gespielt. Michael habe ich gebeten, eine andere Brennweite zu nehmen, damit ich später besser schneiden kann. So hatte ich für diese Szene zwei Basistakes von, alles in allem, etwa 90 Minuten. Beim Schnitt suchten wir dann für uns interessante Stellen heraus und begannen, die Sequenz nach und nach zu verdichten. So wurden am Ende fünf bis sechs Minuten draus.
Oft haben wir natürlich viel mehr Varianten hergestellt, wobei ich zu Anfang nie Vorgaben gemacht habe. Erst nach und nach wurde die Situation dann durchstrukturiert und in eine Form gebracht, vom Allgemeinen ins Konkrete. Optisch haben wir meist mit kürzeren Brennweiten angefangen und dann verdichtet. Die Improvisationen liefen letztlich durch zwei Filter, die Kamera und die Montage. Dadurch wurden sie am Schluss zur Inszenierung.
Du hast neben Interviews mit den Figuren auch solche mit Nichtprotagonisten eingeschnitten, einem Zahnarzt oder einem Küchenverkäufer. Welche Funktion erfüllen sie für Dich?

Das war zu Beginn nur eine Spielerei. Diese Interviews haben einen gewissen Trashfaktor, weil sie in der Spielfilmhandlung scheinbar nichts verloren haben. Für eine Schnittversion hatten wir sie auch mal rausgenommen. Seltsamerweise ging plötzlich ein Teil des Humors der anschließenden Szenen verloren. Sie bringen in gewis - ser Weise eine ironische Sicht in den Film, eine Unernsthaftigkeit, und sie erzählen auch etwas vom alltäglichen Wahnsinn, den wir uns auferlegen. Alles muss perfekt sein: Küche, Figur, Zähne... Ohne die Interviews war das für mich nicht richtig definiert. Wir fanden es gut, das in den Film eindringen zu lassen und dadurch die Klaustrophobie der Konstruktion ein wenig aufzulockern. Außerdem sollte der Film an einigen Stellen ruhig anecken, mal gegen die Bande laufen. Ich wünschte mir eine ästhetische Offenheit, deswegen gibt es viel Musik, absurde Elemente, Interviews oder Zeitraffer. Ich wollte den Eindruck von Spielwiese und Selbstironie nicht nur beim Drehprozess schaffen, sondern auch im Film selbst.
Der Film wirkt enorm schlüssig und durchdacht, so dass man denkt, Du hättest vom ersten Tag an vielleicht doch Deinen Film im Kopf gehabt...

Nein, ich hatte tatsächlich nur ein Konzept der Arbeitsweise und eine Figurenkonstellation. Als ich am 15. Januar zum Drehen nach Frankfurt gefahren bin, ist mir ganz schlecht gewesen. Ich hatte nichts in der Hand außer ein paar läppischen Notizen und sollte die nächsten drei Monate 12 Leute anleiten! Worauf hatte ich mich bloß eingelassen? Gut, da war Cooky Ziesche an meiner Seite, die eine sehr erfahrene Dramaturgin ist. Wir sagten uns, zur Not unterbrechen wir die Dreharbeiten für 10 Tage, setzen uns hin und versuchen das Ding zu retten, indem wir ein Buch zusammenschustern. Das war meine einzige Absicherung.
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