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"Es steht uns fern, irgendwelche Klischees zu bedienen"
"Wir wollten einen Antikriegsfilm machen." Der Ausgangspunkt sei nicht gewesen, einen Rambo-Film zu drehen. "Es ging uns darum, das zu zeigen, was im Irak passiert" sagte der Drehbuchautor Bahadir Özdener auf einer Pressekonferenz am 02.03. in Berlin. "Der Film wende sich gegen Krieg, Besatzung und die Verletzung von Menschenrechten. Er wolle zeigen, dass der Tragödie im Irak Einhalt geboten werden müsse". Özdener wehrte die Antisemitismus-Vorwürfe ab, die unter anderem der Zentralrat der Juden in Deutschland erhoben hatte.
Der Film habe Folter und Organhandel thematisieren wollen und solle in seiner Gesamtheit gesehen werden. "Wir sind keine Antisemiten", betonte er. Auf die Nachfrage, warum der Arzt ausgerechnet Jude sei, meinte er, dann könne man auch darüber diskutieren, warum die Hauptfigur Polat in der einen Szene einen schwarzen und nicht einen weißen Anzug trägt. Es ist natürlich eine Fiktion, wobei die wahren Begebenheiten mitunter zur Hilfe genommen worden sind."
Am 03.03. wird eine Entscheidung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) erwartet, ob die Altersfreigabe von 16 auf 18 Jahre erhöht wird.
Streit um "Kurtlar Vadisi - Irak"
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Eine Zeit lang hat man von Edmund Stoiber (CSU) nichts mehr gehört. Jetzt meldet er sich wieder zurück . In scharfen Ton fordert der bayerische Ministerpräsident die Absetzung des türkischen Films "Tal der Wölfe - Irak" (Kurtlar Vadisi - Irak). Der Baden-Württembergs, Innenminister Heribert Rech (CDU) sagte zu dem Film: "Der Film schürt antisemitische und antiamerikanische Ressentiments, spaltet Kulturen und radikalisiert vor allen Dingen türkische Jugendliche."
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Zunächst wollten die Politiker die Freigabe des Films von 16 auf 18 erhöhen. Am Montag will der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) einen entsprechenden Antrag beim Appellationsausschuss der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) der Filmwirtschaft stellen. Als Begründung will Laschet die Gewaltszenen in Nahaufnahmen - etwa ein Selbstmordattentat - anführen.
"Tal der Wölfe" mit, zehn Millionen Euro Produktionskosten die derzeit teuerste türkische Produktion, hat sein kommerzielles Ziel schon lange erreicht. Stellt sich die Frage, ob der Film auch ein inhaltliches Ziel verfolgt. Die Rahmenhandlung des Filmes basiert auf wahre Geschehnisse: „The Hood Event – der Fall mit den Kapuzen“ Die türkische Soldaten werden von ihren eigenen Verbündeten verhaftet und mit Säcken über den Kopf abgeführt. Die Bilder von türkischen Soldaten, gedemütigt von eigenen Verbündeten, gingen durch die türkischen Nachrichten. Diese verletzte Ehre wird im Film wieder hergestellt. Die Fronten in „Tal der Wölfe“ sind klar zu erkennen: auf der einen Seite die guten Muslime, auf der anderen Seite die bösen Christen und Juden. „Ein ausgezeichneter Film, der Geschichte machen wird“, lobte der türkische Parlamentspräsident Bülent Arinc nach der Premiere.
Der Held, Geheimagent Polat Alemdar, nimmt stellvertretend Rache am US-Oberbefehlshaber Sam Marshall. "Tal der Wölfe" war eine sehr erfolgreiche TV-Serie in der Türkei, und ist daher bei Vielen, die türkische Sender schauen bekannt. In der Serie kämpft Agent Polat Alemdar jedoch weniger gegen die Amerikaner, als gegen die türkische Geldmafia. Die Reaktion des türkischen Publikums geht von Zustimmung bis zu zur Distanzierung wegen des übertrieben dargestellten Nationalismus. Übereinstimmung gibt es aber in der Ablehnung der US Amerikanischen Politik, mit dem Hinweis, Rambofilme wären auch nichts anderes, jetzt hätte man den Spieß einfach mal umgedreht. Der offene Antiamerikanismus scheint derzeit den Zeitgeist vieler Türken zu treffen.
Wenn jetzt also der bayerische Ministerpräsident genauso schlicht wie der Film, denselbigen verbieten will, heißt das nur, Stoiber und Konsorten wollen sich keine Gedanken mehr über Ursache und Wirkung machen.
Ob er nicht die Gefahr sehe, dass „Tal der Wölfe“ die Beziehungen zu den USA belasten könnte, wurde Außenminister Abdullah Gül gefragt. „Nein, ich glaube nicht“, lautete seine Antwort. Viel schlechter können die Beziehungen ohnehin kaum werden.
Unsere Politik hätte viel zu tun, wenn sie jeden dummen Film, der die Gefahr in sich bürgt, die Gedanken der Menschen zu verwirren, verbieten würde. Warten wir den Tag ab, an dem der weit aus intelligentere Film von Michael Winterbottom und Mat Whitecross, "The Road To Guantanamo " im Kino zu sehen sein wird. Ob Stoiber den auch verbieten will?
Cinemaxx setzt "Tal der Wölfe" ab
Die Kinokette Cinemaxx hat den Film nach zwei Wochen abgesetzt. Man wolle "die angespannte Lage nicht weiter fördern". "Wir haben uns bereits vergangene Woche entschieden, den Film 14 Tage zu zeigen und eben nicht abzusetzen", sagte Cinemaxx-Sprecher Arne Schmidt. Ausdrücklich wies Schmidt ein Lob der bayerischen Staatsregierung zurück. Staatskanzleichef Eberhard Sinner (CSU) hatte erklärt, "die Absetzung dieses Hass-Films durch die größte deutsche Kinokette ist ein wichtiges Signal der gesellschaftlichen Verantwortung". "Dass die Absetzung jetzt mit diesen Forderungen zusammen fällt, ist unglücklich", so der Pressesprecher. "Das wirkt anders, als wir es beabsichtigt haben."
Cinestar wird den umstrittenen Film jedoch weiter zeigen. "Wir wollen nicht zensieren", erklärt Cinestar-Sprecher Saber Romdhami. Man könne die Gäste nicht bevormunden. Auch die Argumente der Politiker kann er nicht nachvollziehen. "Es gab ja auch Rambo-Filme. Auch da wurde geschossen und andere Menschen wurden entsprechend dargestellt", sagt Ramdhami.
Regie-Verband verteidigt Film
Ob der Film gut oder schlecht, antiamerikanisch oder antiislamisch sei, habe in einer Zensurdebatte nichts verloren. Soweit keine strafrechtlichen Grenzen überschritten werden, stehe es dem Regisseur Sedar Akar frei, auch mit antiamerikanischen Klischees als Stilmittel zu arbeiten, genauso wie sich amerikanische und andere Regisseure bestimmter Klischees bedienten.
Das Deutsch-Türkische Forum der CDU will sich den Verbotsrufen nicht anschließen. Der Film habe zwar keinen guten Einfluss auf türkische Jugendliche in Deutschland, sagte Forumsvorsitzender Bülent Arslan. "Aber auch viele Hollywood-Filme arbeiten mit platten Feindbildern."
Der Hauptverband deutscher Filmtheater lehnt Forderungen aus der Politik ab, den umstrittenen türkischen Film "Tal der Wölfe" aus dem Programm zu nehmen.
"Die deutsche Kultur kann das aushalten", sagte der stellvertretende Vorstandschef Andreas Kramer am Mittwoch. Notwendig sei ein konstruktiver Dialog. Zudem machten die Forderungen aus der Politik den Film nur interessanter. Es müsse versucht werden, im Rahmen der Vorführungen über den Film zu diskutieren.
Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen, Rüdiger Sareika, hat sich für eine Versachlichung der Diskussion über den türkischen Film "Tal der Wölfe" ausgesprochen. Gerade in der aktuellen sensiblen Phase des interkulturellen Dialogs dürfe man nicht den Fehler begehen, die Weltsicht anderer Kulturen mit den eigenen Maßstäben messen zu wollen, sagte Sareika am Dienstag in Iserlohn dem epd. Das sei im Karikaturenstreit an den islamischen Ländern zu Recht kritisiert worden.
Sareika wies darauf hin, dass Unterhaltungsfilme eigene Gesetze hätten. Auch die Russen und Türken in den europäischen James-Bond-Filmen seien Klischeebilder, mit denen sich die abgebildeten Länder nicht identifizieren könnten. Da sei leichtfertig mit den Weltbildern anderer Länder umgegangen worden, sagte Sareika. In Zeiten der Globalisierung dürfe sich die westliche Welt nicht wundern, wenn sie jetzt aus einem anderen Land eine fremde Sicht ihrer Kultur in einem Unterhaltungsfilm präsentiert bekomme.
TAL DER WÖLFE – IRAK
Seit 3. FEBRUAR IM KINO
Land/Jahr: TÜR 2005
126 Min. FSK: 16
Regisseur ................................................Serdar Akar
Drehbuch ...................Raci Sasmaz , Bahadır Özdener
Darsteller
Polat Alemdar ......................................Necati Sasmaz
Sam William Marshall ...................................Billy Zane
Abdurrahman Halis Kerkuki ............Ghassan Massoud
Leyla ...................................................Bergüzar Korel
Memati ................................................Gürkan Uygun
Dante ..................................................Diego Serrano
Abdülhey ..............................................Kenan Çoban
Erhan ........................................................Erhan Ufak
George Baltimore .............................Spencer Garrett
Doktor ......................................................Gary Busey
US Leutnant .................................................Tito Ortiz
Filmkritik von Ulrich Kriest Filmdienst
"Das fetzt" von Jürgen Elsässer Junge Welt 20.02.2006
"Explodierende Emotionen" sueddeutsche.de 17.02.2006
"Keine Angst" von Amin Farzanef FAZ
"Rache für die Demütigung" von Jürgen Gottschlich/ Daniel Bax TAZ
"Die Türkei schickt ihren Rambo" von Christof Siemes Die Zeit
"Zurückgeschossen" von Deike Diening und Suzan Gülfirat Tagesspiegel 17.02.06
"Propaganda im Kino" von Christian Herrmanny WDR 16.02.06
"Rache ist Blutdurst" von Jan Schulz-Ojala Tagesspiegel 23.02.06
"Die türkische Utopie: „Tal der grauen Wölfe“ von Ciwanê Serhad 27.02.06
"Von Hollywood lernen heißt siegen lernen" von Arno Widmann Berliner Zeitung 20.02.
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