Berlin,
 

    Ali Zaoua

INHALT


Die zwölfjährigen Jungen Ali, Kouka, Omar und Boubker leben als Straßenkinder im Hafen von Casablanca. Die Straße ist ihr Zuhause, und die Menschen, die hier leben, bilden ihre Familie.
Hier zu überleben, ohne Ziel, ohne einen Ort, an den sie sich zurückziehen könnten, wird ihre tägliche Aufgabe. Ihre Freundschaft ist ihre einzige Chance und bildet das Band, das die Gang zusammenhält.
Ali träumt davon, wegzugehen, Seemann zu werden und die Welt zu sehen. Doch das bleibt ein Traum - während einer Auseinandersetzung mit einer rivalisierenden Straßenbande wird er getötet.
Seine Freunde könnten seine Leiche zurücklassen, doch sie beschließen, ihrem Freund ein königliches Begräbnis zu verschaffen. Und so machen sie sich auf, die Insel mit den zwei Sonnen zu finden, von der Ali immer geträumt hat. Eine Fabel, fast ein Märchen über die harte Realität, Träume und den Tod. Aber auch ein Film über das Leben. 


Meine Arbeit mit den Straßenkindern:

"Einige Bilder haben sich für immer in mein Unterbewusstsein eingegraben: Kinder, die sich an Autoreifen klammern, im Herzen der Medina von Fez, mit schwarzen Gesichtern und verschleiertem Blick. Ich war damals fünf Jahre alt. Ich habe sie nie wieder vergessen.
Viele Jahre später traf ich eine ungewöhnliche Frau: Doktor Najat M'jid. Mehrere Jahre hat sie mit ihrer Hilfsorganisation Bayti gegen die Ausgrenzung auf der Straße gekämpft. Eines Tages rief ich sie an und bat sie um ein Gespräch über Straßenkinder. Ich hörte ihr stundenlang zu, wie sie über diese Kinder, die sie so gut kennt, ohne geringstes Mitleid erzählte. Für mich wurde dabei klar: Bevor ich über Kino sprechen konnte, mußte ich selbst auf die Straße gehen.
Dr. M'jid stellte mich ihren Team von Streetworkern vor, das aus drei Erziehern bestand, die Tag und Nacht auf den Straßen nach den Kindern sahen. Zwei Jahre lang haben mich diese Erzieher wie einen von ihnen behandelt. Durch sie bekam ich Einblick in diese Parallelwelt der Straße.
Ich versuchte zu verstehen, wie diese Kinder leben, in welchen codes sie untereinander kommunizieren, wie sie denken, wie ihr Verhältnis zur Gesellschaft ist, wie sie ihren grundlegenden Bedürfnissen nach Nahrung, Kleidung nachkommen, wie sie überleben. Die Verbindung von äußeren Zwängen und Fatalismus ist Teil ihres täglichen Lebens.
Ich muss gestehen, oftmals war ich kurz davor aufzugeben. Die Bilder, die ich gesehen hatte, verfolgten mich. Ich fühlte mich schuldig. Warum waren sie auf der Straße und nicht andere? Hatte ich das Recht, mit diesen Kindern einen Film zu machen? War ich fähig, das zu Ende zu führen? In diesen Momenten des Zweifels war Dr. M'jid meine Rettung. Sie ermunterte mich immer wieder, weiterzumachen. Sie sagte, dass dieser Film auf seine Weise den Kindern helfen würde, die breite Öffentlichkeit durch Bilder auf die Situation aufmerksam gemacht werden müsse, vorausgesetzt diese Bilder hinterlassen keinen Eindruck der Hoffnungslosigkeit. Das ist der Grund, warum ich mich für den märchenhaften Zugang entschieden habe und das ist auch der Grund, warum ich dieses Projekt zu Ende geführt habe."

Zwischen Traum und Realität:

"Ali Zaoua" ist mehr als ein Plädoyer für die Straßenkinder, es ist vor allem ein Märchen. Ein städtisches Märchen über das Schicksal dreier Kinder, die ihren besten Freund beerdigen. Diese Kinder könnten jedes andere Kind in jedem anderen Land sein. Sie könnten unsere Kinder sein. Aber sie sind Straßenkinder ... Und sie leben nicht weit weg, in Marokko.

Der Film schwankt zwischen der rauhen Realität und einem entschieden "traumhaften" Zugang. Die Fiktion dient hier nicht der Realität - die Realität dient der Fiktion. Sie füttert sie, um Ausdruck eines Traumes zu werden, des Traumes von Ali Zaoua. Dieser Traum, von einer Insel symbolisiert, gibt der Reise der drei Helden dieses Films, Kwita, Omar und Boubker ihre Richtung.
Dieser Traum ist wirklich nichts anderes als ihr Traum von Normalität:eine Familie und ein Zuhause zu haben, eine Arbeit zu finden. Die Traumsequenzen lösen langsam die reale Welt ab und führen uns in eine Welt der Imagination, in der ein junges Mädchen in der Mitte des Meeres darauf wartet, dass ein Junge kommt und sie mitnimmt auf eine Insel, wo zwei Sonnen zur selben Zeit scheinen.Die Straße hat eine ungeheure Anziehungskraft auf die Kinder, die auf ihr leben. Klebstoff schnüffeln, ihre Freunde, Freiheit, Zigaretten ... Ein Leben ohne Beschränkungen, aber genauso wenig ohne Ziele, ein Leben, dem zu widerstehen schwer fällt.
Ziele sind genau das, was wir versuchten allen Kindern zu vermitteln, die an unserem Abenteuer beteiligt waren. Von Anfang an war kein Platz für Lügen. Wir machten es klar und deutlich: diese Film würde ihr Leben nicht verändern, sie würden nicht plötzlich reiche und berühmte Schauspieler werden. Aber allen, die tief in sich drin etwas aus ihrem Leben machen wollten, konnte der Film in diesem Bemühen helfen. Wie? Dadurch, dass für ihre jeweilige Zukunft Projekte aufgebaut wurden. Dabei war die Hilfsorganisation Bayti eine große Hilfe.

Sogar noch bevor wir mit den Dreharbeiten begannen, wurden Programme mit den Erziehern der Organisation eingerichtet. Bayti begleitete das Shooting mit einem "Film-Workshop". Drei der Mitarbeiter wurden dauerhaft für dieses Projekt abgeordnet. Sie und der Regisseur diskutierten gemeinsam mit den Kindern über deren Ziele.
Während dieser Diskussionen wurde deutlich, dass einige von ihnen in der Vergangenheit begonnen hatten, ein Handwerk zu erlernen. Bei anderen war der Wunsch danach sehr groß. Die Jüngeren in der Gruppe drückten den Wunsch aus, zurück zur Schule zu gehen und lesen und schreiben zu lernen. Schließlich hatten einige nicht vollständig den Kontakt zu ihren Familien verloren und wollten nach Hause zurückkehren und ihre Erfahrungen nutzen, um ihren Familien zu helfen. Nach dem Ende der Dreharbeiten war die Situation ermutigend, wenn es auch noch ein weiter Weg zum Ziel ist.

Drei der vier Hauptdarsteller sind nach Hause zurückgekehrt, und die Zeitabschnitte, die sie auf der Straße verbringen werden immer seltener. Einer wird bald zurück zur Schule gehen und die anderen beiden haben Arbeit. Der vierte hat immer noch Probleme, Stabilität zu gewinnen und sich mit einer Heimkehr vertraut zu machen. Bei ihm muss noch viel getan werden. Weder können wir ihnen etwas verbieten, noch etwas aufzwingen.
Das hätte einen katastrophalen Effekt und würde genau das entgegengesetzte dessen bewirken, was wir erreichen wollen. Sie sind immer noch auf der Kippe, und man muss über einen längeren Zeitraum mit ihnen reden und ihnen klarmachen, was auf dem Spiel steht.

Die Dreharbeiten :

Noch bevor die Dreharbeiten zu "Ali Zaoua" ein filmisches Abenteuer wurden, waren sie ein menschliches. Für die Kinder bedeutete es den Wechsel von einer Welt "vollkommener Freiheit" zu einer Welt voller Grenzen: in der Zeit, im Ort und darin, Texte zu lernen. Die ersten Tage waren sehr anstrengend für die Schauspieler und die Crew. Die auf dem Papier geplante Organisation war sehr effizient, ihre Realisierung jedoch sehr schwierig. Es gab viele Konflikte zwischen den Kindern, allein dadurch, dass sie mit anderen leben mussten - und sie liefen deshalb oft weg. Jeden Tag war das Ende der Dreharbeiten für alle eine Erleichterung. Die Kinder erbaten ständig etwas von uns.

Es war ein sehr intensives Erlebnis, sowohl physisch als insbesondere auch emotional. Die Crew verstand schnell, dass dies keine gewöhnlichen Dreharbeiten werden würden. Ihr wurde bewusst, was auf dem Spiel stand, und das schmiedete die Kinder und die Crew eng zusammen. Ein seltsames Phänomen trat auf. Die Kinder begannen, mit allen Einschränkungen klarzukommen: sie zeigten sich solidarisch mit dem Projekt. Die Disziplin, die der Film ihnen abverlangte, erschien ihnen notwendig - sie hießen sie sogar willkommen. Die Tagesplanung, die Texte ... Sie hingen an allem, was ihnen helfen könnte, es zu Ende zu bringen. Zum ersten mal in ihrem Leben waren sie dabei, eine Sache zu einem Ende zu bringen.

Diese gemeinsame Energie wurde am Sonntag, dem 5. Dezember 1999 zerstört. An diesem Drehtag hatte einer der Jungen eine Szene zu spielen, in der er sich in eine Schülerin verliebte. In der Minute, in der sie sich in der Umkleidekabine trafen, verliebte er sich tatsächlich in sie! Von da an verbrachte er seine Zeit damit, sie auf seine kindliche Art zu umwerben.

Am 5. Dezember sprang er, um sie zu beeindrucken, über eine niedrige Mauer, hinter der ein mehrere Meter tiefes Loch war. Er brach sich drei Zehen, und die Dreharbeiten mussten für fünf Wochen unterbrochen werden. Zuerst war dies ein schwerer Schlag für die Moral. Aber dann stellte sich diese Unterbrechung als sehr nützlich heraus, da alle Zeit gewannen und zu ihren Familien zurückkehren konnten. Die Kinder waren die ersten, die diesen Wunsch äußerten, weil diese Drehpause mit dem Beginn des Ramadan zusammenfiel. Die Produktionsgesellschaft organisierte also ihre Rückkehr, und das tat ihnen sehr gut.

PRESSESTIMMEN :

"Überwiegend mit Laiendarstellern gedreht, in diesem Fall also echten Straßenkindern, ist Regisseur Nabil Ayouch ein beeindruckendes Drama gelungen." film.de
"Dies ist wirklich ein wundervoller Film - groß wegen der Leistung der Kinder, die Ayouch auf Marokkos Straßen fand" Phase9 tv"
Fast dokumentarische Bilder wechseln mit poetischen und märchenhaften Momenten und ergreifen den Zuschauer mit einer Kraft, die nicht Mitleid, sondern Respekt vor den Figuren hinterlässt. ALI ZAOUA war der bemerkenswerteste und künstlerisch überzeugendste Film im Wettbewerb des ,Festival Panafricain du Film et de la Télévision' (FESPACO) in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos." epd film


PREISE :

Bester Spielfilm Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg
Bayard d'Or für den besten Schauspieler,
ACCT Best Southern Actor Prize,
Junior Jury Prize Namur Festival Preis der Ökomenischen
Jury Montreal Film Festival Bronze Horse Award für den besten Film
Stockholm Film Festival Publikumspreis
Film Festival Amiens Publikumspreis
Mittelmeerfestival Brüssel COE Award to the Film of Hope,
Grand Prize Etalon de Yennega,
UNICEF Award for Childhood Ouagadougou
Festival Panafricain du Film et de la Télévision (FESPACO)
FIPRESCI Preis International Film Festival Kerala,
Indien Filmpreis für Kinderrechte
Unabhängiges FilmFest Osnabrück Großer Preis
Mittelmeer-Filmfestival Köln
ALI ZAOUA repräsentierte Marokko bei der Oscarverleihung 2001 für den besten fremdsprachigen Film


Credits :


Regie. . . . . . . . . . . . Nabil Ayouch
Buch . . . . . . . . . . . . Nabil Ayouch, Nathalie Saugeon
Kamera . . . . . . . . . . Vincent Mathias
Schnitt. . . . . . . . . . . Jean-Robert Thomann
Musik . . . . . . . . . . . Krishna Levy
Kostüm . . . . . . . . . . Nezha Dakil
HAUPTROLLEN UND IHRE DARSTELLER
Kwita. . . . . . . . . . . . . . . . . MounÔm Kbab
Omar . . . . . . . . . . . . . . . . Mustapha Hansali
Boubker . . . . . . . . . . . . . . Hicham Moussoune
Ali Zaoua . . . . . . . . . . . . . Abdelhak Zhayra
Dib . . . . . . . . . . . . . . . . . . SaÔd Taghmaoui
Madame Zaoua . . . . . . . . Amal Ayouch
   
 

   © MMEANSMOVIE 2001 -2005 Filmmagazin Berlin
Neue Filme | Forum - Magazin | Filmfestivals | Film - Charts | TV - TIPP | Konsum | Termine